Urteil des BAG vom 29.01.2015 · Aktenzeichen: 2 AZR 164/14 – § 1 Abs. 3 Satz1 KschG verlangt vom Arbeitgeber im Falle einer betriebsbedingten Kündigung auch eine ordnungsgemäße Sozialauswahl. Eine Kündigung ist nämlich auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Das BAG stellt klar, dass der Arbeitgeber die vorgenannten Kriterien zur Sozialauswahl “ausreichend” berücksichtigen muss. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG hat kein Kriterium Vorrang gegenüber den anderen. Eine Berücksichtigung weiterer, im Gesetz nicht genannter Faktoren hat zu unterbleiben.
Stets sind die individuellen Unterschiede zwischen den vergleichbaren Arbeitnehmern und deren “Sozialdaten” zu berücksichtigen und abzuwägen. Der Arbeitgeber muss dabei nicht die “bestmögliche” Sozialauswahl vornehmen. Er hat einen Wertungsspielraum, wie er die Sozialauswahl vornimmt. Dies führt dazu, dass sich nur deutlich schutzwürdigere Arbeitnehmer mit Erfolg auf einen Auswahlfehler des Arbeitgebers berufen können.
Bei der Änderungskündigung gemäß § 2 KSchG -also der ordentlichen fristgemäße Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber und im Zusammenhang mit der Kündigung das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen- ist nach dem BAG die Sozialauswahl nicht nur daran zu messen, welcher von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern durch den Verlust des Arbeitsplatzes am wenigsten hart getroffen würde. Weil es bei der Änderungskündigung um die soziale Rechtfertigung des Änderungsangebotes geht, ist durch den Arbeitgeber auch darauf zu achten, wie sich die vorgeschlagene Vertragsänderung auf den sozialen Status vergleichbarer Arbeitnehmer auswirkt. Der Arbeitgeber muss also prüfen, ob die geänderten Arbeitsbedingungen vergleichbaren Arbeitnehmern hätten angeboten werden müssen, denen sie eher zumutbar gewesen wären.
Bei der Prüfung ob eine “ausreichende” Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers stattgefunden hat, steht dem Instanzgericht -so das BAG ebenfalls in dieser Entscheidung- ein Beurteilungsspielraum zu, der durch das Revisionsgericht nicht zu überprüfen ist.
Bei der Prüfung des sozialen Gesichtspunkts „Unterhaltspflichten“ darf der Arbeitgeber den Umstand berücksichtigen, dass der Ehegatte des Arbeitnehmers erheblichen eigenen Verdienst hat. Ein erhöhtes Einkommen des Ehegatten kann dazu führen, dass beim Arbeitnehmer eine Unterhaltspflicht aufgrund von Doppelverdienst weniger stark zu gewichten ist. Keinesfalls aber darf zu dessen Lasten darauf abgestellt werden, dass der Arbeitnehmer gegenüber seinem Ehegatten einen Unterhaltsanspruch hat. Im Ergebnis könnte dies dazu führen, dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, einem verheirateten Arbeitnehmer wegen seiner familiären Bindung zu kündigen, was mit der Wertentscheidung des Grundgesetzes Artikel 6 Abs. 1 unvereinbar wäre.