Urteil des Landgericht Koblenz vom 18.11.2021, Az: 1 O 222/18
Kann ein im gemeinschaftlichen Testament mit einem Grundstück bedachter Schlusserbe die lebzeitige Schenkung dieses Grundstücks durch die Erblasserin an seine miterbende Schwester zurückfordern? Die Eltern errichteten im vorliegenden Fall ein Testament, in dem sich die Ehegatten wechselseitig als Alleinerben und die drei gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzten. Nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten sollte der Kläger nach diesem Testament ein Grundstück als Alleinerbe erhalten.
Der Vater verstarb zuerst, sodass die Mutter zur nicht befreiten Vorerbin wurde. Die Parteien sowie ein weiterer Bruder wurden zu Nacherben. Jahre nach dem Tod des Ehemanns übertrug die Mutter der Beklagten unentgeltlich ein Grundstück sowie ihren Miteigentumsanteil am besagten Grundstück, darüber hinaus erhielt die Beklagte bezüglich dieses Grundstücks ein lebenslanges Wohnrecht. Außerdem erteilte die Mutter der Beklagten eine notarielle Vollmacht.
Der Kläger behauptete, dass die Erblasserin kein Eigeninteresse an der Schenkung gehabt, sondern mit Beeinträchtigungsabsicht zu Lasten des Klägers gehandelt habe. Der Wert des übertragenen Grundbesitzes und der bereits zu Lebzeiten der Mutter an die Beklagte geflossenen Gelder überschritten nach Auffassung des Klägers den Wert der von der Beklagten in den letzten Lebensjahren der Mutter zu deren Versorgung und Pflege erbrachten Leistungen erheblich. Der Kläger begehrte die Übertragung des Grundstücks auf ihn und die Bewilligung der Löschung des Wohnrechtes im Grundbuch.
Eine Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 818 ff. BGB lehnte das Gericht ab. Diese kann der Erbe nur verlangen, wenn der Erblasser die Schenkung in der Absicht vorgenommen hat, den Erben zu beeinträchtigen. Dies ist der Fall, wenn der Erblasser weiß, dass er durch das Geschenk das Erbe schmälert. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist dabei zusätzlich eine Missbrauchsprüfung erforderlich. Ein Missbrauch liegt trotz des Wissens um die Beeinträchtigung des Erbes nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der vorgenommenen Schenkung hatte. Dieses kommt in Betracht, wenn es dem Erblasser bei der Schenkung um seine Versorgung bzw. Pflege im Alter geht. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers liegt vor, wenn sich der Beschenkte ohne rechtliche Verpflichtung um Haus, Garten, Einkäufe, Reinigung etc. kümmert, zumal wenn der Erblasser ein Interesse daran hat, dadurch im eigenen Haus wohnen bleiben zu können. Es ist auch als anerkennenswertes Eigeninteresse anzusehen, wenn der Erblasser durch das Geschenk eine ihm nahestehende Person an sich zu binden versucht.
Der Erbe, der das Geschenk herausverlangte, war für das fehlende Eigeninteresse des Erblassers beweispflichtig. Nach der Vernehmung zahlreicher Zeugen war das Gericht davon überzeugt, dass die Beklagte sowohl vor der Schenkung als auch danach ganz erhebliche Betreuungs- und Versorgungsleistungen für die Mutter erbrachte. So bot sie Hilfestellung durch Begleitung im Alltag, machte Erledigungen und besorgte den Haushalt. Diese Unterstützungsleistungen stufte das Gericht als maßgeblich ein, auch wenn die Pflege der Erblasserin erst nach der Schenkung erforderlich wurde.
Die Erblasserin ging nach Überzeugung des Gerichts bei der Schenkung davon aus, dass die Beklagte ihr weiterhin zur Seite steht, wie es tatsächlich auch der Fall war. Das Gericht erkannte zudem, dass der Pflegebedarf der Mutter anderenfalls zu hohen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst geführt hätte, um – ihrem Wunsch entsprechend – im Haus wohnen bleiben zu können. Zudem wären durch die stationäre Unterbringung in einem Pflegeheim weitere nicht unerhebliche Kosten entstanden, die das Erbe geschmälert hätten.