Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main vom 07.06.2018, Az.: 2 – 015 118/17
Der Haftpflichtversicherer des unfallverursachenden Fahrzeuges verweigerte dem Kläger den vollen Schmerzensgeldanspruch mit der Begründung, er müsse sich ein Mitverschulden im Hinblick auf die Unfallfolgen anrechnen lassen, da er als Motorradfahrer keine Schutzkleidung an den Beinen getragen habe. Die beklagte Haftpflichtversicherung ist jedoch in allen Instanzen gescheitert.
Das Landgericht Frankfurt/Main hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass nur das Tragen eines Schutzhelmes gesetzlich vorgeschrieben sei (§21 a Abs. 2 StVO). Für Schutzkleidung gäbe es keine vergleichbare Regelung. Allerdings sei das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung kein Grund, dem Verletzten nicht doch den Einwand des Mitverschuldens zur Schadenhöhe entgegenzuhalten. Die Sorgfaltspflichten eines Verkehrsteilnehmers ergeben sich nämlich nicht nur aus geschriebenen Normen.
Richtiger Maßstab sei in diesem Fall, ob dem Verletzten die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt vorgeworfen werden könne, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Im vorliegenden Falle gebe es jedoch ein solches allgemeines Sorgfalt- und Verkehrsbewusstsein nicht. Es sei nicht zulässig, einen ungeschriebenen Sorgfaltsmaßstab anzusetzen, der alleine mit einem bestehenden – hohen – Verletzungsrisiko und dem Erkenntnisstand über den verbesserten Schutz durch Schutzkleidung hergeleitet werden kann.
Dies würde nämlich – so das Landgericht weiter – letztlich darauf hinauslaufen, dass dem Verletzten immer ein Mitverschulden anzulasten sei, wenn er objektiv sinnvolle und allgemein zugängliche Schutzmöglichkeiten nicht angewandt habe. So könnte beispielsweise einem Fahrradfahrer, der keinen Helm trägt, oder einem Skifahrer, der keinen Oberkörperprotektor trägt, ebenfalls regelmäßig ein Mitverschulden entgegengehalten werden. In all diesen Fällen müsste man also beinahe ausnahmslos ein Mitverschulden des Geschädigten annehmen. Das aber wird von der überwiegenden Rechtsprechung abgelehnt.
Für den vorliegenden Fall hat das Landgericht ein allgemeines Sorgfaltsbewusstsein zum Tragen von Schutzkleidung an den Beinen (etwa Lederhosen mit Protektoren u. ä.) nicht gesehen. Dem Kläger wurde das von ihm begehrte Schmerzensgeld in voller Höhe daher auch in der Berufungsinstanz zugesprochen.