Sozialgericht Marburg, Gerichtsbescheid vom 30.03.2022 – S 12 KA 226/21
Im Nachgang zu unserem Beitrag hinsichtlich der Frage, wie lange das Praxissubrat vorhanden ist und ob ein Praxisverkauf ohne Praxissubstrat überhaupt möglich ist, steht nun die Frage im Raum, ab wann der Zulassungsausschuss eine Zulassung entziehen kann, wenn in der Praxis nur geringe Fallzahlen abgerechnet werden.
Das Sozialgericht Marburg hatte einen Fall zu entscheiden, in dem einem Facharzt für Humangenetik die Zulassung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entzogen wurde. Der Arzt hatte im Rahmen seines halben Versorgungsauftrags in vier aufeinanderfolgenden Quartalen maximal zehn Fälle abgerechnet und in den drei folgenden Quartalen keinen einzigen. Da er damit deutlich unter dem Fachgruppendurchschnitt von 213 bis 244 Fällen lag, hatte der Zulassungsausschuss die Zulassung entzogen.
Das Sozialgericht hat die Klage des Arztes gegen die Entziehung der Zulassung abgewiesen und sich insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Hessen und des Sozialgerichts München angeschlossen. Eine Zulassungsentziehung komme dann in Betracht, wenn der Arzt nicht mehr den Willen hat, an der vertragsärztlichen Versorgung kontinuierlich teilzunehmen. Davon ist ohne Weiteres dann auszugehen, wenn die Fallzahlen pro Quartal nicht einmal zehn Prozent des Durchschnitts der Fachgruppe erreichen. Dies komme einer Nichtausübung gleich, sodass die Zulassung entzogen werden kann.
Das Sozialgericht hat außerdem klargestellt, dass es auf äußere Umstände, die den Praxisaufbau verhindert haben (wie z.B. die Corona-Krise) nicht ankomme, wenn der Arzt nicht im Einzelnen konkret darlegt, wie er seine vertragsärztliche Versorgung in der Praxis zukünftig kontinuierlich erfüllen will.