Wem gehört nach Kündigung eines Mitgesellschafters der Gemeinschaftspraxis dessen Kassenarztzulassung?
Wenn ein Kassenarzt, der Mitgesellschafter einer Gemeinschaftspraxis ist, seine Gesellschafterstellung kündigt, ist dies für die übrigen Gesellschafter ein bedeutender Einschnitt. Die meisten Gesellschaftsverträge sehen für diesen Fall vor, dass der kündigende Kassenarzt aus der Gesellschaft ausscheidet. Der kündigende Arzt fällt danach als Leistungserbringer der Gemeinschaftspraxis entweder ersatzlos weg oder muss ersetzt werden. Hinzu kommt, dass dem kündigenden Kassenarzt in aller Regel eine Abfindung zusteht.
Immer wieder taucht in diesem Zusammenhang die Frage auf, wem die Kassenarztzulassung zusteht. Diese Frage ist von hoher praktischer Relevanz und in den Gesellschaftsverträgen der meisten Gemeinschaftspraxen unzureichend geregelt. Da z.B. die Höhe der Abfindung des ausscheidenden Arztes den wirtschaftlichen Wert seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung abgelten soll, ist es wirtschaftlich ein Unterschied, ob die verbleibendenden Gesellschafter mit oder ohne die bisherige Kassenarztzulassung des ausscheidenden Arztes weiter praktizieren. Der Praxisumsatz und die Kostenstruktur der Praxis sind davon betroffen – und damit letztlich der zukünftige Gewinn der verbleibenden Gesellschafter.
Keine Regelungen in den meisten Gesellschaftsverträgen
Weder findet sich in den meisten Gesellschaftsverträgen zum Thema der Höhe der Abfindung eine Differenzierung dahingehend, ob die Zulassung in der Praxis verbleibt, noch werden dort Rechtspflichten aufgeführt, wie mit der Kassenarztzulassung im Falle der Kündigung umzugehen ist. Da der Zulassungsausschuss im Nachbesetzungsverfahren allein entscheidet, können sich Pflichten des kündigenden Gesellschafters oder der übrigen Gesellschafter nur darauf beziehen, dass bestimmte Anträge gestellt werden müssen oder gerade nicht gestellt werden dürfen. Regelungen zu Konkurrenzschutz oder Wettbewerbsverboten in den Gesellschaftsverträgen haben demgegenüber nur indirekte Auswirkungen und erfassen das Problem nicht im Kern.
Es sind nämlich nicht die verbleibenden Gesellschafter, die die Nachbesetzung der Kassenarztzulassung des kündigenden Gesellschafters beantragen dürfen, um sich dann z.B. mit einem angestellten Arzt darauf zu bewerben. Es ist der kündigende Gesellschafter, der das Heft des Handelns in der Hand hat. Ob dieser den Sitz in der Gemeinschaftspraxis ausschreibt oder die Zulassung mitnimmt, um sich z.B. mit der Konkurrenz zusammenzutun, entscheidet ausschließlich er selbst. Er allein ist Zulassungsinhaber. Und nur er kann im Nachbesetzungsverfahren oder bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zum Zwecke der Anstellung auf diese Zulassung verzichten.
Was folgt daraus für die Gestaltung der Gesellschaftsverträge von Gemeinschaftspraxen?
Zum einen sollte die Abfindungsregelung im Gesellschaftsvertrag beide Möglichkeiten berücksichtigen. Die Abfindungshöhe sollte davon abhängig gemacht werden, ob den verbleibenden Gesellschaftern die Zulassung des Kündigenden als Zulassung bzw. genehmigte Arztstelle verbleibt oder nicht. Die verschiedenen Praxisbewertungsverfahren berücksichtigen zwar in ihren Regelungen u.U. die zukünftig zu erwartenden Gewinne, also eigentlich auch den Wegfall einer Zulassung. Doch droht hier – neben den sonstigen Problemen einer unpräzisen Abfindungsregelung – erhebliches Streitpotenzial.
Über die Höhe der Abfindung wird man vor Gericht und mittels verschiedener Sachverständiger gegebenenfalls jahrelang streiten. Zunächst sind für die Praxisbewertung nämlich Umsätze und Gewinne aus der Vergangenheit relevant, also Ergebnisse mit der fraglichen Zulassung. Auch stimmt der Bewertungsstichtag meist nicht mit dem Zeitpunkt der Entscheidung überein, ob die Zulassung bei der Praxis verbleibt oder nicht. Schließlich sind die Effekte des Wegfalls einer Zulassung für den Umsatz und vor allem für die Ermittlung zukünftiger Gewinne alles andere als eindeutig. Es sollte sichergestellt werden, dass der wirtschaftliche Schaden durch den Verlust einer Kassenarztzulassung bei der Höhe der Abfindung angemessene Berücksichtigung findet.
Soll die Zulassung in der Praxis verbleiben?
Zum anderen sollte geprüft werden, ob die Praxis nicht zwingend auf den Verbleib der Zulassung in der Praxis angewiesen ist. In diesem Fall sollte neben einer differenzierten Regelung zur Abfindung auch versucht werden, die Gesellschafter über den Gesellschaftsvertrag im Falle einer Kündigung des Gesellschaftsvertrages zu bestimmten Anträgen gegenüber dem Zulassungsausschuss zu zwingen. Regelungen zu Wettbewerbsverboten reichen nicht aus. Allerdings muss auch sichergestellt sein, dass die Abfindung entsprechend hoch ist, da andernfalls das Kündigungsrecht eines Gesellschafters beeinträchtigt wird und die Regelung zur Abfindung unwirksam ist.