Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 21.09.2017 – AZR 865/16
Die Gruppe der Geschäftsführer in den mehr als 1,1 Millionen GmbHs ist sehr inhomogen. Sie umfasst viele (Fremd-)Geschäftsführer mit häufig relativ geringer Vergütung und geringem Handlungsspielraum, dies alles jedoch bei vollem Haftungsrisiko. Immer wieder suchen gerade solche Geschäftsführer den „Schutz des Arbeitsrechts“ – vor allem dann, wenn sie zuvor über Jahre als Arbeitnehmer für das Unternehmen tätig waren und womöglich nach ihrer Bestellung zum Vertretungsorgan der GmbH nicht einmal einen neuen Dienstvertrag erhalten haben, sondern auf der Basis ihres alten Arbeitsvertrages weiterarbeiten.
In diesem Fall war der Kläger seit April 1996 bei dem beklagten Unternehmen als Arbeitnehmer beschäftigt. Im Januar 2011 wurde er zum Geschäftsführer bestellt. Die Beklagte beschäftigte ca. 3.000 Arbeitnehmer und hatte neben dem Kläger 98 (!) weitere Geschäftsführer. Die Befugnisse der Geschäftsführer waren je nachdem, welchem der drei möglichen „Kategorien“ sie angehörten, mehr oder minder eingeschränkt. Der Kläger gehörte der insoweit „schwächsten“ Gruppe an.
Die Beklagte kündigte das Vertragsverhältnis ordentlich unter Beachtung einer vertraglichen Frist von sechs Monaten. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und machte geltend, die Kündigung sei unwirksam. Er sei auch nach seiner Bestellung zum Geschäftsführer in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen. Lediglich „formal“ sei er in die Geschäftsführer-Stellung gehoben worden. Dies ergebe sich u.a. schon aus dem Umstand, dass neben ihm in dem Unternehmen weitere 98 Geschäftsführer bestellt worden seien und er nach seinem Vertrag im Innenverhältnis kaum Handlungsrechte für die GmbH gehabt habe. Hinzu komme, dass er unmittelbar nach Erhalt der Kündigung sein Amt als Geschäftsführer niedergelegt habe. Die Klage war in allen drei Instanzen ohne Erfolg.
Das Bundesarbeitsgericht verwies darauf, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht für Mitglieder des Organs einer juristischen Person, das gesetzlich zur Vertretung berufen sei, zur Anwendung komme. § 14 Abs. 1 Satz 1 KSchG enthalte insoweit eine negative Fiktion. Diese gelte – wie im vorliegenden Fall – immer dann, wenn die organschaftliche Stellung als Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung (noch) besteht. Daher sei es unerheblich, dass der Kläger sein Amt als Geschäftsführer nach Zugang der Kündigung niedergelegt habe. Ob etwas anderes gelten kann, wenn die Organstellung des Geschäftsführers bereits vor Zugang der Kündigung geendet hat, ließ das Bundesarbeitsgericht offen. Es scheine aber nicht ausgeschlossen, dass die Fiktion des § 14 Abs. 1 Satz 1 KSchG uneingeschränkt auch dann gelte, wenn die Organstellung des Geschäftsführers bereits vor Zugang der Kündigung beendet war.
Der Ausschluss des Kündigungsschutzgesetzes komme unabhängig davon zum Tragen, ob das der Geschäftsführerstellung zugrundeliegende schuldrechtliche Anstellungsverhältnis materiell-rechtlich möglicherweise nicht als Dienst-, sondern als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Schließlich lägen im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger ausschließlich deshalb zum Geschäftsführer bestellt worden sei, um ihm den Schutz des allgemeinen Arbeitsrechts, insbesondere des Kündigungsschutzgesetzes, zu nehmen